Abendessen auf Schloss Grünenstein

Schlossgeschichte

Aussen Spätbarock, innen Rokoko galt und gilt Grünenstein nach wie vor als Beispiel vorbildlicher Baukunst von schnörkelloser, „feierlichster Architekturleistung von einheimischer Durchgestaltung”.

  • 1781
    Das Barockschloss

    Mit dem Lotteriegewinn der niederländischen Staatslotterie baut die Glarner Familie Schindler 1781 die alte Burg Grünenstein zum spätbarocken Schloss um. Damit entsteht auf dem Felssporn von Grünenstein eine grosszügige Anlage, bestehend aus Wirtschaftsgebäuden, Torkel, Rebberg, Schloss und Schlossgarten. Landschaftprägend ist die grosse Stützmauer, die, hinterfüllt mit dem Schutt der alten Burg, auf dem Sporn die Ebenen des Barock- und des Nutzgartens ermöglicht. Die Mauer wird zum Rückgrat der Anlage entlang derer sich die Elemente reihen.

    1791 verkauft die Familie Schindler das Anwesen an Jacob Laurenz Custer, Kaufmann und Politiker in Altstätten und Rheineck. 1805, zur Erinnerung an die auf Grünenstein geschriebene, erste Geschichte des Rheintals, wird im Schlosshof eine Linde gepflanzt. 1829, zur Erinnerung an Jacob Laurenz Custer, dem Wohltäter des Rheintals, wird nach einem Entwurf von Thorwaldson der Schlossweiher mit dem Denkmal errichtet.

  • 1983
    Öffentlicher Zugang

    1982 haben die Brüder Walter und Max Custer zusammen mit Jürg Schindler, dem Nachfahren der Erbauerfamilie, das Schloss aus einer Familienstiftung heraus übernommen und die Gut Grünenstein AG gegründet. Die neue Nutzung des Schlosses besteht aus sieben bis neun Wohnungen und den Turmlokalen, die für öffentliche Kulturanlässe (z.B Vollmondgespräche) und private Anlässe (Hochzeiten, Feiern etc.) zur Verfügung stehen. Wo sich früher ein Rossstall und eine Heubühne mit Barockfassade befanden, sind heute Wohnungen eingebaut.

    Mit dem Ausbau des Schlosses zum ‘Mehrfamilienhaus’ wurde der Schlosshof immer mehr zum halböffentlichen Raum, von Balgacher Spaziergängern rege als Durchgang benutzt. Bis 1983 lag das Schloss in einem Dornröschenschlaf. Ein Schild hing am Schlosstor; „Privat, Durchgang verboten”.

  • 2008
    Projekt Schlosspark

    Am europäischen Tag des Denkmals konnte einer interessierten Öffentlichkeit anlässlich von Führungen nun nicht nur Einblick in die privat genutzten Gärten, sondern auch auf die ganze Anlage des Schlossparks Grünenstein gewährt werden. Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Lorenzo Custer, dipl. Architekt ETH/SIA, Thomas Oesch, dipl. Kulturingenieur ETH/SIA, Martin Klauser, Landschaftsarchitekt HTL/BSLA und Luzia Bänziger, Master of Real Estate Management FH, machte es sich zur Aufgabe, die notwendigen und die wünschbaren Massnahmen aufzulisten, die Kosten für die Umsetzung zu ermitteln und die Möglichkeit zur Finanzierung abzuklären. 2011 wurden die ersten vier Mosaiksteine umgesetzt. Der Hochstammobstgarten∶ im Herbst 2010 wurden vom Verein Balger Natur 38 Hochstamm-Apfelbäume gepflanzt.

    Der Entscheid für die Verwendung der traditionellen Natursteinmauer mit Kalkmörtel war auch ein Entscheid für die Wahrung der Substanz der Identität des Denkmals und nicht nur dessen äusseren Abbildes. Der gewählte Weg des neuen Wiederaufbaus erlaubte einen rationellen Abriss der alten Mauer und den Neuaufbau (ohne Beton) auf der Nagelfluh. Die Mauer wurde mit gespaltenem Stein mit Luftkalk (luftabbindend) vermörtelt.

  • 2011
    Der Mauerbau

    Der Entscheid traditionellen Kalkmörtel für die Natursteinmauer war auch ein Entscheid für die Wahrung der Substanz der Identität der Mauer und nicht nur dessen äusseren Abbildes. Der gewählte Weg des neuen Wiederaufbaus erlaubte einen rationellen Abriss der alten Mauer und den Neuaufbau (ohne Beton) auf der Nagelfluh. Die Mauer wurde mit gespaltenem Stein mit Luftkalk (luftabbindend) vermörtelt.

    Dies fand in der Öffentlichkeit einen grossen Wiederhall. Die Schlossparkbesucher nahmen grossen Anteil am sorgfältigen, Stein auf Stein gesetzten Mauerbau, und die Arbeiter durften hören, dass ihre Arbeit (zum ersten Mal) geschätzt wurde, und nicht eine weitere Verschandelung der Landschaft verursachte. Die Arbeiter staunten, mit so etwas einfachem wie einer Mauer, so grosses Echo zu erhalten.

  • 2013
    Der Waldpavillon

    Die 1968 wegen Vandalismus abgerissene Eremitenklause bildete einen landschaftlich wichtigen Abschluss der Gesamtanlage auf dem Schlossberg. Der 2013 errichtete Neubau verzichtet auf eine Kopie dessen, was war, zeichnet aber subtil das alte Volumen nach und schafft damit einen neuen Akzent in der Landschaft.

    Der neue Waldpavillon wird im September 2013 vom Superpuma eingeflogen und auf die neuen Fundamente gesetzt. Damit finden die Arbeiten am Schlosspark ein vorläufiges Ende. Am 19. Oktober wird die Anlage im Beisein von Regierungsrat Martin Klöti mit einem grossen Fest eingeweiht.

  • 2018
    Torkel

    Erbaut im Jahr 1574 , 1775 erweitert, stand der Torkel ungefähr 100 Jahre leer. Seit 2018 hat Ralph Heule den Rebberg und den Torkel gepachtet, und die Trauben des Schlossberges werden wieder vor Ort gekeltert.

    Als Zweitnutzung finden Events, Konzerte und Hochzeiten im Torkel statt. Beim Umbau wurde das zweihundertjährige Brenneisen von J.L. Custer im Bauschutt gefunden.

Die Custer Familie

Um 1718 wechselte der Grossvater von J.L.Custer seinen Beruf; aus dem ‚Chirurgus‘ wurde ein erfolgreicher Kaufmann. J.L.Custer, Sohn aus gutem Hause wurde mit 14 Jahren auf die damals progressivste Schule der Eidgenossenschaft, das ‚Philantropium‘ in Haldenstein bei Chur geschickt.

Die Custer Familie Die Custer Familie

Jacob Laurenz Custer

Im Philantropium herrschte ein republikanischer Geist. J.L. befreundete sich mit dem Freigeist César La Harpe aus Lausanne. Daraus entstand ein lebenslanges Engagement für die ‘res pubblica‘. J.L. errichtete eine Familienstiftung, da er keine Kinder hatte, zu Gunsten der Nachfahren seines Bruders.

Der junge Jacob Laurenz Custer

Jacob Laurenz Custer wird als Sohn reicher und vornehmer Eltern in dem Haus am Markt, das wir heute Reburg nennen, am 16. März 1755 in Altstätten geboren. Mit 14 Jahren verlässt er sein Elternhaus, um in Haldenstein bei Chur eine damals moderne, aufgeklärte Schule zu besuchen, das Philanthropium. In dieser Schule, die nur als Internat geführt wurde, lernt er Schulkollegen aus der ganzen Schweiz kennen. 1771 schickt ihn dann sein Vater nach Genf, dort macht er 3 Jahre eine Lehre als Tuchhändler, oder sagen wir besser als Grosskaufmann. Er darf reisen. Während seiner Abwesenheit ist in Rheineck Johannes Heer, der Grosskaufmann und Sohn des Erbauers des Löwenhofes, gestorben und hinterlässt ein blühendes Handelsgeschäft, aber auch eine Witwe mit einer kleinen Tochter, die im Löwenhof in Rheineck leben. Heer war auch der ledige Name der Mutter von J.L.. Die beiden sind also verwandt und so kümmert sich der junge, gut ausgebildete J.L. um das verwaiste Geschäft seiner angeheirateten Cousine. Aus verwandtschaftlichen und geschäftlichen Beziehungen wird Liebe, und die beiden, sie 14 Jahre älter als er, beschliessen zu heiraten. Custer, nun im Löwenhof in Rheineck zuhause, verbringt viel Zeit in Verona, pflegt aber, wenn er im Rheintal ist, ein gastfreundliches Haus. Er versteht es, aus dem übernommenen, florierenden Geschäft mit Fleiss und Geschick ein überaus prosperierendes Grosshandelsgeschäft aufzubauen, das Kontakte über halb Europa pflegt. Obwohl um 1790 schon das Schlösschen Weinstein durch Erbgang an die Gebrüder Custer gefallen ist, kauft Jacob Laurenz 1791 von Zeugherr Schindler aus Glarus auch das Schloss Grünenstein in Balgach, das zum Sommersitz erkoren wird.

“Liberté, égalité und fraternité”

Bis zu diesem Zeitpunkt lebte Jacob Laurenz Custer das Leben eines fleissigen, erfolgreichen, kultivierten und begüterten Kaufmanns. Schauen wir uns die Gemälde an, die bis zu diesem Zeitpunkt von ihm existieren, dann sehen wir ihn dargestellt im farbigen Just-au-corps, in reich gestickter, seidener Weste, den wertvollen Degen an der Seite, kurz, das Bild eines Grandseigneurs, der eigentlich mit dem Gedanken spielte, sich aus dem aktiven Geschäftsleben zurückzuziehen und die Früchte seiner Wohlhabenheit zu geniessen. Aber es kam anders, nicht nur für Jacob Laurenz Custer, sondern für alle und alles. Die magischen Worte "liberté, égalité und fraternité" veränderten ganz Europa. Unter dem Drucke neuer schlechter Nachrichten wurde dann der Bitte stattgegeben und am 3. März entstand die "Republik Rheintal", als selbständiges Glied der Eidgenossenschaft. Am 26. März hielt man, nach dem Muster Appenzells, auf der Breite in Altstätten eine Landsgemeinde ab, auf der C.H. Gschwend als Landammann und Jacob Laurenz Custer als Landesstatthalter gewählt wurden. Unter dem Druck der französischen Bajonette wurde dann aber schon nach 17 Tagen, am 12. April, die Verfassung der Helvetischen Republik angenommen, was den eben erst befreiten Rheintalern gar nicht passte. Custer gab dem Druck nach, das Amt des Stadtammanns von Rheineck zu übernehmen. In der damaligen Zeit gab es wenig französisch sprechende Leute und Custer gehörte zu ihnen. Mit den neuen Herren verhandeln zu können war jetzt wichtiger denn je, denn die hohen Offiziere suchten sich auch die besten Quartiere. Die Generale Massena und Soult waren beide Gäste Custers im Löwenhof in Rheineck.

Die Erben

Die Stieftochter schenkte 1804 einem Sohn, August Constantin das Leben. Endlich schien auch die Nachfolge des umfangreichen Unternehmens gesichert. Im Herbst 1817, mit erst 55 Jahren, starb sein Bruder Johann Friedrich an einem Schlaganfall, und Jacob Laurenz kümmerte sich fortan ganz besonders um dessen Sohn August Constantin, seinen Erben. Nach 44 gemeinsamen Jahren verstarb 1820 Custers fast 80-jährige Gattin. Nun wurden die beiden Häuser, Schloss Grünenstein und der Löwenhof doch etwas gross für den einsamen Herrn, der nun Zerstreuung in der Musik und der Literatur suchte und fand. Auch ein grosses Herz hört einmal auf zu schlagen. Jacob Laurenz starb 1828, seine Taten aber wirken bis heute nach. Eine grosse Menschenmenge begleitete den Sarg auf den Friedhof in Rheineck und in die Kirche. Bereits ein Jahr nach seinem Tod wurde ihm zu Ehren im Weiher im Schlosspark ein schlichtes Denkmal errichtet. Noch nach seinem Tode verfügte Custer testamentarisch über die Vergabe von 39 500 Gulden, die im Rheintal verteilt wurden. Noch reicher stattete er den rheintalisch evangelischen Armenfonds aus, den er mit 24 000 Gulden bedachte. Custer sorgte klug dafür, dass diese Stiftungen langfristig Segen spenden sollten, indem er verbot, das Kapital anzugreifen. Nur die Zinsen wurden und werden ausgeschüttet und bei Nichtgebrauch zum Kapital geschlagen. So figurieren noch heute, so viele Jahre nach Custers Tod, diese Vermächtnisse in den Kassen öffentlicher Korporationen. Am reichsten sorgte er für die eigene Familie vor, indem er 1812 einen Custer'schen Familienfonds mit 100 000 Gulden testierte. Er, der Kinderlose, sorgte so für die Erben seines Bruders.

Die Custer Familie Die Custer Familie

Max und Vreni Custer – Briner

Als 1980 die Familienstiftung das Schloss verkaufen will, erwerben Walter und Max Custer, zusammen mit Jürg Schindler, dem Nachfahren des Schlosserbauers von 1791, das Schloss. Die Idee war von Anfang die moderne Revitalisierung des Anwesens unter Einbezug der Oeffentlichkeit und der nachhaltigen Nutzung.

Die Familie Custer heute

Seit 2001 wird die Gut Grünenstein von den Söhnen von Max und Vreni, Lorenzo und Roland (Nonius) Custer geleitet. Immer mehr wird das Schloss zum öffentlichen Ort. Nun steht die nächste Generation bereit, die Verantwortung zu übernehmen.